Stadtrat kippt Marschall 66

Der Rat der Stadt Marl hat gestern (15.12.) nach kontroverser Diskussion den Mehrkosten von rund 7 Mio. Euro für Marschall 66 nicht zugestimmt. Am Ende der geheimen Wahl standen 22 Ja- gegen 22 Nein-Stimmen. Mit der Stimmengleichheit war die Beschlussvorlage der Verwaltung abgelehnt. Der weitere Umbau der ehemaligen Hauptschule an der Kampstraße zum kulturellen Begegnungs- und Erlebniszentrum ist damit vorerst auf Eis gelegt.

"Tief enttäuscht und fassungslos"

„Ich bin tief enttäuscht und fassungslos“, sagte Bürgermeister Werner Arndt zum Ratsbeschluss. „Das ist ein herber Schlag für die Entwicklung und Aufwertung der Stadtmitte, aber auch für die Kulturlandschaft in unserer Stadt.“ Das Vorhaben müsse jetzt „neu definiert werden.“ Werner Arndt: „Wir fangen wieder bei null an.“ Die Verwaltung kämpfte zuletzt mit viel Herzblut für das Zukunftsprojekt. „Wir haben alle wichtigen Argumente für das Konzept dargelegt. Den politischen Beschluss müssen wir zur Kenntnis nehmen, aber er beinhaltet viele Fragezeichen“, so Werner Arndt. „Die Idee Marschall 66 ist eine einmalige Chance für die Stadtmitte. Verwaltung und Politik müssen jetzt gemeinsam eine Lösung finden, wie es weitergeht.“

Einsparpotentiale

Die Stadtverwaltung legte dem Rat gestern Nachmittag neben der Beschlussvorlage auch eine Anlage zur möglichen Reduzierung von Kosten beim Bauprojekt vor. Bereits in der Planung ergab sich ein großes Einsparpotential von rund 1,7 Mio. Euro. Demnach setzt die Stadt beim Umbau der ehemaligen Hauptschule auf einfache Ausführungen bei Fenstern und Dachabdeckungen. Außerdem soll bei der Ausstattung und der Funktionalität des Gebäudes gespart werden.

Rückzahlung von Fördergeldern

Weitere Einsparungen ließen sich beispielsweise beim Verzicht auf die Stadtbibliothek in Marschall 66 erzielen. Dann aber müssten die jetzigen Räume im Riegelhaus saniert werden. Kostenpunkt: rund 1,5 Mio. Euro. Das geplante Begegnungscafe würde beim Wegfall der Bibliothek zu den Akten gelegt. Auch das Skulpturenmuseum käme inhaltlich nicht zu seiner Entfaltung. Die Stadt würde überdies Fördergelder in Millionenhöhe verlieren. Noch schlimmer: die Verwaltung müsste sogar aktuell fast eine Million Euro an staatlichen Geldern zurückzahlen.

Kostensteigerung

Der Stadtrat hatte Marschall 66 im Mai 2020 mit großer Mehrheit auf den Weg gebracht. Das Projekt wird bislang mit rund zehn Millionen Euro aus Bundes- und Landesmitteln gefördert. Die Kosten steigen wegen eines stark erhöhten Baupreisindex von rund 15,2 auf 22,3 Mio. Euro. CDU, FDP und Bündnis 90 / Die Grünen signalisierten zuletzt, aufgrund der leeren Haushaltskasse den Rotstift anzusetzen. SPD und WG Die Grünen sprachen sich vehement für das Schlüsselprojekt aus. Die Bürgerfraktion Marl, Fraktion Marl und die AfD waren von Beginn an gegen das Projekt.

Projekt ist zentraler ISEK-Baustein

Schon seit Jahren arbeitet die Stadt an den Planungen zu Marschall 66. Der Name erinnert an den ehemaligen in Marl tätigen Architekten und Stadtplaner Günther Marschall. Das Projekt ist ein zentraler Baustein des Integrierten Stadtentwicklungskonzeptes ISEK 2025+ für die Aufwertung der Stadtmitte. Mit dem Leitprojekt soll ein sogenannter „Dritter Ort“ geschaffen werden, an dem kommunale Einrichtungen kultureller Bildung und das Grimme-Institut zusammenwirken.

Videobeitrag

Die politischen Stimmen zu Marschall 66

Peter Wenzel (SPD): „Das Projekt Marschall 66 hatte vom Rat bereits die mehrheitliche Zustimmung erhalten. In fast jedem Projekt gibt es aktuell Mehrkosten. Ich finde es nicht in Ordnung, dass einige aus der Politik sich jetzt an diesem Thema entlanghangeln. Wir erhalten 10. Mio. Euro an Fördergeldern – nur ein Argument von vielen, die wir dargelegt haben.“

Werner Arndt (SPD): „Kultur bedeutet mir viel, Kultur steht für Demokratie. Ohne die Stadtbibliothek macht Marschall 66 keinen Sinn. Und den alten Standort gibt es nicht zum Nulltarif. Dort muss saniert werden. Das ist finanzpolitisch der falsche Weg. Die Idee vom dritten Ort, die Sanierung des Rathauses und die Teilnahme an der IGA 2027 würden außerdem ad absurdum geführt. Ohne Marschall 66 landen wir kulturpolitisch gesehen in der Abgeschiedenheit.“

Thomas Terhorst (CDU): „Wir stehen hinter der Idee Marschall 66. Heute geht es aber darum, das Budget zu erhöhen. Wer glaubt denn ernsthaft daran, dass wir mit 23 Mio. Euro auskommen? Wollen wir uns weiter mit Kostensteigerungen beschäftigen? Ich will das nicht. Das ist ein Fass ohne Boden. Ich will Verantwortung für unsere Stadt und die nachfolgenden Generationen übernehmen.“

Robert Heinze (FDP): „In den letzten Tagen ist eine Kampagne pro Marschall 66 öffentlich geführt worden, die falsch ist. Der Rat hat sich mit großer Mehrheit zu dem Projekt bekannt. Aber wie hoch darf der Preis sein? Ich sage: das ist nicht das Ende der Kosten. Wir stehen in der Verantwortung. Gegebenenfalls müssen wir Marschall 66 neu planen.“

Johannes Westermann (WG Die Grünen): „Marschall 66 hat große Strahlkraft über die Stadtgrenzen hinaus. Das hat die Verwaltung mehrfach deutlich gemacht. Marl ist Kulturstadt. Wir haben mit Marschall 66 eine einmalige Chance und sollten den eingeschlagenen Weg weitergehen. Alle, die sich gegen das Projekt aussprechen, schaden der Stadt.“

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Der Stadtrat hat den Mehrkosten für das Zukunftsprojekt Marschall 66 in der Stadtmitte nicht zugestimmt.

Am Ende der geheimen Wahl standen 22 Ja- gegen 22 Nein-Stimmen. Das Bild zeigt (v.l.n.r.) Katharina Sandkühler (Bündnis 90 / Die Grünen), Jan-Stefan Heinemann (SPD) und Tom Stoltenberg) bei der Auszählung. Fotos: Stadt Marl / Pressestelle