Verbraucherzentrale sieht reichlich Stolperfallen

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Dreiste Stromanbieter, dubiose Mahnschreiben oder fragwürdige Finanzsanierungen: Für viele Ratsuchende war die Verbraucherzentrale in Marl auch 2013 als Anlaufstelle erste Wahl.

„Leider gibt es noch immer reichlich Stolperfallen für Verbraucher", weiß Reint Jan Vos, Leiter der Beratungsstelle, zu berichten. Besonders zu schaffen machte den Bürgern der Umgang mit Unternehmen aus der Energiebranche.

Jahresbericht

Das bestätigt der Jahresbericht 2013 der Marler Beratungsstelle, den Sigrun Krümmel, Regionalleiterin der Verbraucherzentrale NRW, Reint Jan Vos und Verbraucherberaterin Marion Löhring heute (9.7.) gemeinsam mit Bürgermeister Werner Arndt im Rathaus der Stadt Marl vorgestellt haben. „Die Verbraucherzentrale war auch im vergangenen Jahr eine kompetente und verlässliche Partnerin für die Verbraucher in Marl und eine wichtige Einrichtung im Beratungsangebot unserer Stadt", so das Stadtoberhaupt. Insgesamt bearbeitete das Team der Marler Beratungsstelle knapp 8.000 Anfragen.

Beschwerden und Anfragen

Die meisten Beschwerden und Anfragen (30 Prozent) zählte die Verbraucherberatung im Jahre 2013 im Bereich der Energie. „Viele Verbraucher wechseln jedes Jahr den Stromanbieter, um die Kosten möglichst gering zu halten", weiß Reint Jan Vos. Wer jedoch den Wechsel wagt, so der Leiter der Marler Beratungsstelle, sieht sich nicht selten mit unerwarteten Kosten, ungeregelten Modalitäten und Fallstricken in Verträgen konfrontiert. „Da werden z.B. zusätzliche Wechselentgelte in Rechnung gestellt, ungenaue Liefertermine für den günstigeren Strom genannt oder schon nach kurzer Zeit Preisänderungen angekündigt", so Vos.

„Verboten günstig"

Ein weiteres Thema im Energiebereich war der Slogan „Verboten günstig", mit dem der Strom- und Gashändler Flexstrom geworben hatte. Doch spätestens seit dem 12. April 2013 hatte die Werbebotschaft eine neue Bedeutung, denn das Berliner Unternehmen musste Insolvenz anmelden. Hunderttausenden schuldete der Konzern meist dreistellige Beträge, die Strom- und Gaskunden als Vorauszahlung überwiesen hatten. Die Verbraucherzentrale in Marl half mit rechtlicher Beratung, um Ansprüche geltend zu machen und gab Tipps für den Wechsel zu einem neuen Versorger. Jüngstes Beispiel: Mit einer Klage gegen unwirksame Preisanpassungsklauseln in den Gassonderkundenverträgen von RWE hat die Verbraucherzentrale 2013 beim Bundesgerichtshof obsiegt. Geld zurück aus ungerechtfertigten Preiserhöhungen erhielten nicht nur die an der Klage beteiligten Marler Kunden, sondern auch die Gaskunden anderer Versorger mit gleichlautenden Klauseln können auf Erstattung pochen.

Dauerbrenner Telekommunikation

Ein weiterer Dauerbrenner bleiben Beschwerden im Bereich der Telekommunikation. Die Novelle des Telekommunikationsgesetzes hat Preisansagen bei Call-by-Call-Gesprächen verpflichtend gemacht und kostenpflichtige Warteschleifen drastisch eingeschränkt. Auch für die Portierung des Telefonanschlusses zum neuen Anbieter wurde ein Zeitfenster von einem Tag vorgegeben. Doch ungeachtet dieser Verbesserungen gab es 2013 im Telekommunikationsmarkt immer noch reichlich Stolperfallen. Mal schoben sich die Anbieter gegenseitig die Verantwortung für die tote Leitung zu, mal wurden Preise nicht deutlich genug angesagt. Nach vermeintlich unverbindlichen Beratungsgesprächen in Telefonläden erhielten Kunden plötzlich Auftragsbestätigungen über neue Telefon-Komplettpakete - mit zusätzlichen Kosten inklusive. Und dies, obwohl jede Einwilligungserklärung oder Unterschrift fehlte.

Abmahnungen

Massenhafte Abmahnungen wegen vermeintlicher Urheberrechtsverletzungen bilanziert die Beratungsstelle auch 2013: So verschickte die Kanzlei Urmann und Collegen (U + C) im Dezember Schreiben, dass über die Plattform "redtube.com" Pornofilme gestreamt und damit Urheberrechte verletzt worden sein sollten. Hier mutmaßt Reint Jan Vos den Eisberg-Effekt: „Zu uns kommt nur der Punkt auf der Spitze des Eisbergs - der Rest ärgert sich, unterschreibt die geforderte Unterlassungserklärung und zahlt."

Phishing-Mails

Zu schaffen machten Ratsuchenden auch Phishing-Mails: „T-Online- und Amazon-Kunden, Inhaber einer Master-Card oder Nutzer von Pay-Pal-Konten hatten zuhauf unerwartete E-Mails erhalten, die angeblich von ihrem Anbieter stammten und die mit fadenscheinigem Inhalt geheime Zugangsdaten abfischen wollten", berichtet Marion Löhring, Verbraucherberaterin der Beratungsstelle in Marl. Die Maschen der Betrüger waren alle ähnlich: Sie versuchten mit angeblichen Sperrungen, Einschränkungen, Unregelmäßigkeiten oder Fremdzugriffen in Angst und Panik zu versetzen und zur Preisgabe zu verleiten. „Die Trojaner-Mails enthielten jedoch gefährliche Zip-Anhänge, die beim Öffnen auf die Festplatte des Computers oder Smartphones gelangten. So nutzten Kriminelle die anstehende SEPA-Umstellung aus, um beim Versand von Phishing-Mails an persönliche Daten der Empfänger zu kommen beziehungsweise um diesen ein Schadprogramm unterzujubeln", so Löhring weiter.

Rechtliche Beratung gefragt

Allerdings waren in der Verbraucherzentrale Marl nicht nur Informationen oder kurze Rechtsauskünfte gefragt, sondern insbesondere auch eine umfassende rechtliche Beratung oder Vertretung. Im Jahresrückblick waren vor allem RWE, Vodafone und Extra Energie die Anbieter, die am häufigsten Anlass zu Nachfragen und Beschwerden gaben. Bei Vodafone ging es schwerpunktmäßig um Probleme bei der Rechnungsstellung, bei RWE und Extra Energie um die Gestaltung von Preisen und Tarifen. Auch bei den außergerichtlichen Rechtsberatungen und -vertretungen standen Probleme mit Energieversorgern im Mittelpunkt.

Geldprobleme

In 119 Fällen spielten Geldprobleme bei der Zahlung der Rechnung eine wichtige Rolle, insbesondere war hier RWE betroffen. „Auch hier zeigt unsere Statistik nicht die Spitze, sondern nur einen Punkt auf der Spitze des Eisbergs", erläutert Reint Jan Vos die ernstzunehmende Lage. „Hinter jeder Anfrage", so Vos, „verbirgt sich eine hohe Dunkelziffer von Verbrauchern mit ähnlichen Problemen".

Schlupflöcher in Gesetzen

Allerdings bekommt das Team der Verbraucherzentrale Marl viele Probleme der Verbraucher mit außergerichtlicher Rechtsberatung vom Eis. Die Anfragen und Beschwerden seien aber auch ein Fingerzeig, wo sich Fallstricke in allgemeinen Geschäftsbedingungen auftun oder Gesetze Schlupflöcher für unlauteres Verhalten bieten. „Hier setzt sich die Verbraucherzentrale NRW ein, um Missstände branchenweit etwa auf dem Rechtswegs abzustellen oder um bei der Politik Nachbesserungen für mehr Verbraucherschutz zu reklamieren", erläutert Sigrun Krümmel, Regionalleiterin der Verbraucherzentrale NRW, die „Eisbrecherwirkung" von Verbraucherarbeit.

Umweltschutz in Schulen

Darüber hinaus war die Umweltberatung der Beratungsstelle im vergangenen Jahr auch erfolgreich in Sachen Ressourcenschutz in Marler Schulen unterwegs. Umweltberaterin Katharina Feldkamp unterstützte die August-Döhr- und Overbergschule bei der Optimierung der Abfalltrennung und bei der Aktionswoche "Licht richtig auswählen". Eine Woche lang informierte Katharina Feldkamp mit Hilfe eines in der Beratungsstelle aufgebauten Musterhaus rund um den Kauf von Halogen, Energiespar- und LED-Lampen.

Jahresbericht online

Der Jahresbericht der Marler Verbraucherzentrale ist hier oder im Internet unter www.vz-nrw.de/marl-jahresbericht nachzulesen. Eine Papierfassung des Berichtes steht in der Beratungsstelle Marl zur Verfügung.

 

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Stellten jetzt den Jahresbericht der Verbraucherzentrale Marl im Rathaus vor: Sigrun Krümmel, Regionalleiterin der Verbraucherzentrale NRW, Reint Jan Vos, Leiter der Beratungsstelle Marl, Bürgermeister Werner Arndt und Verbraucherberaterin Marion Löhring (v.l.).