Verantwortung für die Zukunft erkennen und übernehmen

Die Begriffe Toleranz, Freiheit und Demokratie waren bei der Gedenkfeier am Sonntag (27.01.) Schlüsselbegriffe.

Zur Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus hatten Bürgermeister Werner Arndt und engagierte Marler Akteure in den Ratssaal eingeladen und dort u.a. einen gemeinsamen Blick auf die Werte Europas geworfen. 

Schüler sprechen über Bedeutung von Erinnerungsarbeit

Auch 74 Jahre nach der Befreiung von Auschwitz müsse sich die Gesellschaft täglich weiter für die Würde und Achtung eines jeden Menschen einsetzen. Davon sind die Schülerinnen und Schüler des Leistungskurses Geschichte am Gymnasium im Loekamp (GiL) überzeugt. Vor rund 150 interessierten Bürgerinnen und Bürgern, Vertretern aus der Politik, von Vereinen und Gemeinden erzählten sie die bewegende Lebens- und Leidensgeschichte der jüdischen Familie Boldes und betonten, wie wichtig die Weitergabe der Erinnerungen für sie und für nachfolgende Generationen ist.

"Für heute - Kunst aus dem Grauen"

Wie Kunstwerke beim Erinnerungsprozess helfen können, erläuterte Dr. Jörn Wendland und gab damit den fachlichen Impuls zum diesjährigen Thema der Gedenkfeier „Für heute – Kunst aus dem Grauen“. Der Kölner Kunst- und Kulturwissenschaftler sprach in seinem Vortrag über die Entstehungsbedingungen und Funktionen von Zeichnungen, die Häftlinge in Konzentrationslagern angefertigt haben. Zuvor hatte er in einem Workshop Bilder des tschechisch-jüdischen Künstlers Alfred Kantor zusammen mit Schülern des Hans-Böckler-Berufskollegs näher betrachtet. Viele der Werke seien zugleich Kunstwerke, Andenken, Überlebensmittel und Beweise, berichtete Wendland.

Halina Birenbaum liest vor gebanntem Publikum 

Die 89-jährige Halina Birenbaum aus Marls israelischer Partnerstadt Herzliya überlebte den Holocaust und hat die aktive Arbeit gegen das Vergessen seither zu ihrer Lebensaufgabe gemacht. Sie verlas bei der Gedenkfeier zwei ihrer Gedichte. „Mein Leben hatte am Ende seinen Anfang“, schreibt sie zum Beispiel und nennt sich selbst einen „Beweis“ für starken Überlebenswillen und die Hoffnung auf Menschlichkeit. Passend dazu spielte die Musikgruppe Soma Lieder wie „Ich glaube an die Sonne“. Die Band begleitete ebenfalls den ökumenischen Gottesdienst, zu dem die beiden Pfarrer Herbert Roth und Ulrich Walter vor der Gedenkstunde eingeladen hatten.

Aktiv für Freiheit, Toleranz und Demokratie einstehen

Ulla Fries-Langer von der Initiative „Marler Wege zum Frieden“ und Cengiz Caliskan, Vorsitzender des Integrationsrates Marl, erinnerten die Zuhörer daran, dass Rassismus und die Unterdrückung von Minderheiten leider auch heute noch von hoher Aktualität sind. Sie forderten daher dazu auf, aktiv dagegen vorzugehen und sich gemeinsam für Freiheit, Toleranz und Demokratie in Marl und darüber hinaus einzusetzen.

Gemeinsam ein Zeichen setzen

„Mit der Gedenkstunde setzen wir gemeinsam ein Zeichen. Wir bekunden, dass wir die nationalsozialistischen Gräueltaten und ihre Opfer nicht vergessen haben, und wir bekunden auch, welche Werte heute für uns zählen.“, fasste Bürgermeister Werner Arndt die Bedeutung von Gedenktagen zusammen. Die Zeit des Nationalsozialismus sei keineswegs ein „Vogelschiss in der Geschichte“, vielmehr ermahne sie dazu, die Verantwortung für die Zukunft zu erkennen und zu übernehmen: „Wir wollen in einem demokratischen Europa leben, das auf freiheitlichem Denken und Handeln fußt.“

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Gestalteten gemeinsam die Gedenkfeier im Rathaus (v.l.): Cengiz Caliskan, Vorsitzender des Integrationsrates Marl, Bürgermeister Werner Arndt, Halina Birenbaum, Dr. Jörn Wendland und die städtische Beauftragte für Erinnerungsarbeit Jennifer Radscheid.

Gut 150 Gäste waren der Einladung von Bürgermeister Werner Arndt gefolgt und kamen zur Gedenkfeier in den Ratssaal.

Der Kölner Kunst- und Kulturwissenschaftler Dr. Jörn Wendland sprach in seinem Vortrag über die Entstehungsbedingungen und Funktionen von Kunstwerken in Konzentrationslagern.

Der GiL-Leistungskurs Geschichte erläuterte die Bedeutung des Gedenkens für heute. Die Schule hat seit 2007 eine Stolperstein-Patenschaft für die Familie Boldes. Fotos: Stadt Marl / Pressestelle