Analog zum vorhergehenden Vortrag von Sandra Teitge wird Lesja Zajac einen detaillierten Einblick in die Entwicklung der Medienkunst in der Ukraine geben. Der Fokus liegt hierbei auf den vornehmlich in der Ausstellung behandelten Jahren 1992 bis 2002, also dem ersten Jahrzehnt der Unabhängigkeit des Landes. Anhand mehrerer Beispiele wird sie diesen Prozess illustrieren.
„Institution“ als Label für kollaborative Arbeit
Zunächst wird Lesja Zajac das Künstlerkollektiv Institution of Unstable Thoughts (1996-2009) vorstellen, das sie mit ihrem Ehemann Oleksandr Hnylytskyi in Leben rief. Es wurde als NGO in Kyjiv gegründet und diente als unabhängige Plattform, auf der Künstler*innen und Kurator*innen ihre individuellen Projektarbeiten und kulturellen Aktivitäten formalisieren konnten. Sie stellte auch eine Schnittstelle zur aufstrebenden Medienwelt und der sich langsam entwickelnden Kreativwirtschaft dar. Interdisziplinärer Dialog, Vernetzung und gegenseitiger Nutzen aus gegenseitiger Unterstützung waren den Gründungsmitgliedern zentrale Anliegen. Darüber hinaus entwickelte die Institution of Unstable Thoughts einen internationalen Charakter. Mit ihrem einprägsamen Namen und Logo wurde die „Institution“ zu einem Label für kollaborative Arbeit, hinter der sich neben verschiedenen Künstlerkollegen entweder Oleksandr Hnylytskyi oder Lesja Zajac oder beide verbergen konnten.
Technische Erweiterung von Pinsel und Leinwand
Mit der Vorstellung der Arbeit von Oleksandr Hnylytskyi wird die Institution of Unstable Thoughts konextualisiert. Hnylytskyi studierte Monumentalmalerei und wandte sich der Videokunst als technischer Erweiterung von Pinsel und Leinwand zu. 1992 inszenierte er in seinem Atelier das Gedicht „Dornröschen im Gläsernen Sarg“ als tableau vivant. Die Videoaufnahme hiervon war der Anstoß für seine weiteren Arbeiten. Von da an nutzte Hnylytskyi häufig Videos als Medium, um seltsame Eindrücke festzuhalten und zu inszenieren.
Einflussreiche Position
In seiner Malerei erforschte der Künstler insbesondere das Irrationale. So entschlüsselte er beispielsweise die Semantik von Helden, indem er Figuren aus populären Zeichentrickfilmen und modernen Märchen oder legendäre Filmfiguren in seine eigene Mythologie einbaute. Folglich schuf Hnylytskyi eine sehr persönliche Figurative, indem er die kulturellen Konnotationen seiner individuellen Fiktion verwendete und beide in die dichte „Singularität“ der Leinwand übertrug. Hnylytskyi gilt als eine der einflussreichsten Positionen in der postsozialistischen, zeitgenössischen Kunst der unabhängigen Ukraine.
Zuletzt wird Lesja Zajac als Zeitzeugin subjektive Einblicke in das künstlerische Schaffen dieser Zeit gewähren. Sie ist in der ukrainischen Diaspora aufgewachsen. Nachdem sie das Studium als Mediendesignern abgeschlossen hatte, hat sie fünfzehn Jahre lang für deutsche und britische Filmproduktionen gearbeitet. Als die ukrainische Unabhängigkeit ausgerufen wurde, ist sie 1994 zum ersten Mal nach Kyjiv gereist, das zu ihrer zweiten Heimat wurde. Bis zum Angriffskrieg gegen die Ukraine lebte sie in beiden Ländern.
Stop-Motion-Serie
1996 begann sie mit ihrem Partner Oleksandr Hnylytskyi eine Stop-Motion-Serie namens „Work in Progress“, die die Entstehung eines Gemäldes von der leeren Leinwand bis zur Fertigstellung zeigt. 1999 gab sie ihre Schnittkarriere endgültig auf und begann mit ihrem Ehemann zusammenzuarbeiten. Seit Hnylytskyis frühem Tod Ende 2009 kuratiert sie regelmäßig eigene Projekte rund um sein Werk. Sie arbeitet weiterhin hauptsächlich als Institution of Unstable Thoughts und initiiert kollaborative Konzept- und Medienkunst.
Ort: Skulpturenmuseum Marl, Georg-Herwegh-Str. 63-67, 45772 Marl
Zeit: Der Vortrag beginnt um 18:30 Uhr
Dauer ca. 1,5 Stunden
Der Vortrag wird in deutscher Sprache gehalten. Zudem wird ein Livestream eingerichtet. Den Zugang gibt es über http://www.skulpturenmuseum-glaskasten-marl.de/de/veranstaltungen.