Große Herausforderungen
Das Jugendamt der Stadt Marl steht vor großen Herausforderungen. Steigende Fallzahlen, wachsende Anforderungen und ein hoher Arbeitsaufwand prägen den Alltag der Mitarbeitenden. 2024 zählte die Stadt etwa 800 Fälle bei den Hilfen zur Erziehung, ein Jahr zuvor waren es noch 730. Knapp 300 Kinder und Jugendliche sind derzeit in Pflegefamilien und andere Wohnformen untergebracht. „Die Zahlen belegen einen klaren Trend“, erklärt Jugendamtsleiter Andreas Wesche. Der Bedarf an Unterstützung steigt – und damit die Belastung der Fachkräfte. Auch die Sachverhalte werden komplexer. Andreas Wesche: „Wir müssen immer häufiger Probleme bewältigen, in denen vielfältige Belastungen wie Armut, psychische Erkrankungen oder Gewalt zusammenspielen“. Bei den eingegangenen Meldungen zu Kindeswohlgefährdungen sind die Fallzahlen aber gesunken: In 2023 waren es 356, 2024 rund 270.
Fachkräftemangel entgegenwirken
Eine große Aufgabe ist das Personal. Die Stadt versucht bereits mit ihren dualen Ausbildungsgängen dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. „Wir haben zusätzliche Stellen geschaffen, um die entstandenen Lücken zu füllen und eine Überlastung von Mitarbeitenden vorzubeugen. Doch die Besetzung offener Stellen bleibt schwierig“, sagt Claudia Schwidrik-Grebe. In den Sozialen Diensten sind derzeit 34 Mitarbeitende beschäftigt, im Jugendamt arbeiten mehr als 250 Personen. Doch es ist nicht einfach, gerade junge Leute für die herausfordernde Arbeit im ASD zu gewinnen. „Empathie lernt man nicht an der Uni“, so Claudia Schwidrik-Grebe. „Oft dauert die Zeit der Einarbeitung mehrere Monate. Viele junge Fachkräfte schrecken vor der hohen Verantwortung und dem emotionalen Arbeitsalltag noch immer zurück.“
Breites Spektrum an Leistungen
Der ASD in Marl deckt mit seinen Angeboten ein breites Spektrum an Leistungen ab. Zu seinen zentralen Aufgaben gehören die Vermittlung und Planung von Hilfen zur Erziehung und der Kinderschutz. „Wir sind die zentrale Anlaufstelle für junge Menschen, Mütter, Väter und andere Familienangehörige, die Rat und Unterstützung suchen“, erklärt ASD-Leiterin Birgit Glitzner. Die Mitarbeitenden beraten, vermitteln Hilfe und entwickeln gemeinsam mit den Familien einen Plan, wie eine schwierige Situation verbessert werden kann. Birgit Glitzner: „Wenn es Hinweise gibt, dass Kinder gefährdet sind, und die Eltern nicht bereit oder in der Lage sind, dies abzuwenden, greifen wir ein. Die Arbeit erfordert ein hohes Maß an Fachwissen, psychischer Belastbarkeit und Fingerspitzengefühl. Eine anspruchsvolle Kombination.“
Gesetzliche Verpflichtung
Das Marler Jugendamt ist gesetzlich verpflichtet, zum Schutz von Kindern und Jugendlichen tätig zu werden. „Der Kinderschutz hat höchste Priorität und steht für uns an erster Stelle“, betont Claudia Schwidrik-Grebe. Bei Hinweisen auf Kindeswohlgefährdung muss der ASD sich einen unmittelbaren Eindruck vom Kind und seinem persönlichen Umfeld verschaffen. „Wir gehen allen Hinweisen auf Gefährdungen nach und schätzen das Risiko ein. Erst dann wird entschieden, welches Vorgehen sinnvoll erscheint“, erklärt Birgit Glitzner. „Wir können den Kinderschutz aber nicht alleine sicherstellen. Deshalb arbeiten wir mit den Trägern der freien Jugendhilfe eng zusammen.“
Vielfältige Unterstützung
Das Jugendamt unterstützt Familien aber nicht nur in Krisensituationen. Die bedarfsgerechte Unterstützung für Kinder, Eltern und Familien hat die Stadt in den vergangenen Jahren stetig weiterentwickelt. „Es gibt die Frühen Hilfen, die Schulsozialarbeit oder auch die Beratungsmöglichkeiten bei Gewalt und sexuellem Missbrauch“, sagt Birgit Glitzner. Ein Schwerpunkt ist die sozialraumorientierte Arbeit. „Auf kurzen Wegen bieten wir hier für Kinder, Jugendliche und deren Familien bedarfsorientierte Angebote, um deren Alltagsleben in den Stadtteilen zu verbessern“, erklärt die Diplom-Sozialarbeiterin. „Wir fördern die Kooperationen direkt vor Ort. Das zeichnet uns seit vielen Jahren aus.“
Beispielhafte Projekte
Darüber hinaus beraten und vermitteln die Sozialen Dienste des städtischen Jugendamtes bei Überforderung im Alltag, Arbeitslosigkeit und Verschuldung. Auch in die familiengerichtlichen Verfahren ist der ASD eingebunden. Die Mitarbeitenden sind in mehreren Teams eingeteilt. „Wir wollen bei allen Problemen frühzeitig mit den Familien in Kontakt kommen“, sagt Birgit Glitzner. „Unsere Aufgabe ist es, die Eltern zu stärken. Sie sollen lernen, Verantwortung zu übernehmen und Selbstbewusstsein zu entwickeln.“ Jugendamtsleiter Andreas Wesche meint: „Die Kinder- und Jugendhilfe ist so viel mehr, als es auf den ersten Blick erscheint. Wir haben große und gut funktionierende Netzwerke, die wie Zahnräder ineinandergreifen.“ Beispielhaft sind hier das Netzwerk Frühe Hilfen (MarleKiN), das Präventions- und Handlungskonzept gegen Gewalt sowie das gerade im Aufbau befindliche Netzwerk Kinderschutz. Auch ein Kinder- und Jugendparlament befindet sich in der konstituierenden Phase.
Kontakt zum Jugendamt
Eltern und Erziehungsberechtigte, die Hilfe bei der Erziehung ihrer Kinder oder anderen Problemlagen benötigen, kontaktieren bitte die Abteilung Soziale Dienste im Jugendamt der Stadt Marl (Tel. 02365 / 99-2405, E-Mail: amt51(at)marl.de). Außerhalb der allgemeinen Öffnungszeiten der Stadtverwaltung ist das Jugendamt in Notfällen unter der Rufnummer (02365) 917-3 erreichbar.
Ausführliche Informationen zum städtischen Jugendamt finden sich auf den Internetseiten der Stadt Marl unter www.marl.de/das-jugendamt.
Hinweis: Der Kinderschutz in NRW ist durch Mangel an Personal, Unterkünften und Finanzierung von Jugendämtern gefährdet. Das zeigt eine Recherche des WDR. An der Online-Umfrage im Juli 2024 beteiligte sich auch das Jugendamt der Stadt Marl.