Das „3. NKF-Weiterentwicklungsgesetz“ sieht wesentliche Änderungen unter anderem beim Haushaltsausgleich und der Pflicht zur Erstellung von Haushaltssicherungskonzepten vor. Darin ist unter anderem verankert, dass rechnerisch der globale Minderaufwand von ein auf zwei Prozent der ordentlichen Aufwendungen erhöht wurde. Dadurch kann der Jahresfehlbetrag aktuell um 7,6 Millionen Euro reduziert werden. Insgesamt werden die Aufwendungen nun um rund 27 Millionen Euro niedriger veranschlagt, was sich entsprechend positiv aufs Jahresergebnis auswirkt.
Dritte Änderungsliste eingebracht
Das hat die Stadt Marl unter anderem genutzt und eine dritte Änderungsliste für das Haushaltsjahr 2024 eingebracht. „Dabei haben wir noch einmal neu gerechnet und können einen fiktiven Haushaltsausgleich darstellen“, erklärt Bürgermeister Werner Arndt. Diese buchalterische Besonderheit ist durch die Gesetzesänderung rückwirkend zum 31. Dezember 2023 möglich geworden und verschafft zahlreichen Kommunen in Nordrhein-Westfalen etwas Luft. Es gibt also weder Geld der Bundes- noch der Landesregierung. Vielmehr geht es ausschließlich um Arithmetik.
Minderaufwand macht 7,6 Millionen Euro aus
Beim Minderaufwand handelt es sich um Haushaltsmittel, die rein rechnerisch bis zum Ende des Haushaltsjahres nicht ausgegeben werden. Mit anderen Worten: Rund zwei Prozent der Mittel werden in Marl gar nicht benötigt – rein theoretisch nicht benötigt. Das macht die 7,6 Euro aus, die sich positiv auf den Haushaltsentwurf auswirken.
Ausgleichsrücklage als größter Posten
Der größte Posten ist die sogenannte Ausgleichsrücklage. Diese stellt einen Puffer innerhalb des Eigenkapitals dar, um der Kommune eine flexiblere Haushaltswirtschaft zu ermöglichen, ohne gleich in ein formalisiertes Haushaltssicherungsverfahren gehen zu müssen. Die Ausgleichsrücklage kann durch Zuführung von Jahresüberschüssen wieder aufgefüllt werden, bis der in der Eröffnungsbilanz angesetzte Betrag erreicht ist.
Zinserträge haben sich erhöht
Aber auch geringere Personalkosten im Vergleich zur ersten Änderungsliste schlagen zu Buche. „Die Tariferhöhung hat sich nicht in dem Maße ausgewirkt, wie wir es zunächst angenommen hatten. Zudem sind die Versorgungsbezüge der Beamtinnen und Beamten geringer als zunächst gerechnet“, erklärt Personaldezernent Michael Bach, der aktuell auch die Position des Kämmerers vertritt. Insgesamt führt das zu Minderausgaben in Höhe von zwölf Millionen Euro. Darüber hinaus belasten noch nicht in Auftrag gegebene und damit erst mit Verzögerung in den Bilanzen auftauchende Projekte den Stadtsäckel geringer – etwa 3,5 Millionen Euro. Hinzu kommen höhere Zinserträge. Angesichts der Planänderungen und der gesetzlich möglichen Neuberechnung ergibt sich voraussichtlich ein rechnerischer Überschuss der eigenen Finanzmittel in Höhe von zirka 3000 Euro und kein Fehlbetrag mehr in Millionenhöhe.
Prognose in zehn Jahren braucht eine schwarze Null
Um den Haushalt tatsächlich genehmigt zu bekommen, muss die Stadt in ihrer zehnjährigen Prognose, also 2033, aber auch eine schwarze Null stehen haben. „Diese Kalkulation muss natürlich für die Kommunalaufsicht nachvollziehbar sowie stichhaltig sein und kein Wunschdenken darstellen“, erklärt der Bürgermeister. In der Modellrechnung wird so unter anderem davon ausgegangen, dass das Steueraufkommen steigt (zum Beispiel durch die Ansiedlung von Unternehmen wie Thalia, mehr Bevölkerung durch neue Wohnbauprojekte und damit mehr Grundsteuern etc.), die Landeszuweisungen steigen (u. a. durch mehr Arbeitsplätze).
Frage der Altschulden noch ungeklärt
Weiterhin keine Vorschläge macht das Land bei den sogenannten Altschulden, die viele Kommunen kaum noch stemmen können. „Die große Politik steht einmal mehr in der Pflicht, ihrer Verantwortung gerecht zu werden und den Kommunen die Mittel zu gewährleisten, die sie zwingend brauchen. Bund und Land müssen endlich die Altschuldenlösung und eine hinreichende Finanzausstattung auf den Weg bringen“, sagte Werner Arndt bereits vor einigen Wochen. Dabei steht Marl im Vergleich zu anderen Städten bei den kommunalen Kassenkrediten relativ gut da. Pro Kopf lag die Verschuldung im Jahr 2022 bei gut 1000 Euro, kreisweit hingegen bei fast 2300 Euro.
Zugestimmt wurde zudem einem Antrag, wonach die Verwaltung beauftragt wird, in Form eines Projektes und unter Begleitung einer externen Beratung in 2024 eine Gesamtstrategie zur Optimierung von Erzieherischen Hilfen zu verfolgen.
Stadt Marl tritt Trierer Erklärung bei
Mit großer Mehrheit stimmte der Rat dafür, dass sich die Stadt Marl der Trierer Erklärung vom 18. Januar 2024 anschließt. Die Trierer Erklärung wurde beschlossen nach dem bekannt gewordenen Treffen von AfD-Funktionären mit Mitgliedern der Identitären Bewegung. Ebenso beschlossen wurde als Zeichen für Vielfalt und Toleranz, eine Treppe oder andere Bauten wie zum Beispiel die Zalaegereszek-Brücke in Regenbogenfarben zu realisieren.
Stimmen der Fraktionen zum Haushalt
SPD (Peter Wenzel): Von einer Krise sprach die SPD mit Blick auf den Haushalt, bedankte sich aber auch bei der Kämmerei der Stadt Marl für den „ausgeglichenen“ Haushalt. Gerade in der Krise müsse man zusammenstehen, vor allem im Interesse der Entwicklung zu einer noch lebenswerteren Stadt. Eine einheitliche Zustimmung für den geplanten Haushalt sei das richtige Signal. Nur so könne man in Richtung Landesregierung, von der man sich im Stich gelassen fühlt, ein klares Zeichen setzen. Trotz der stürmischen Zeiten sollte man das Boot nicht einfach verlassen und dem Haushalt die Zustimmung verweigern. In der Krise zeige sich der Charakter. Die SPD sei zu vielen Kompromissen bereit, lediglich beim Thema Soziales und Kinder gebe es keinen Spielraum. Deshalb stimmte die SPD dem Beschluss zur Haushaltssitzung zu.
CDU (Thomas Terhorst): Die CDU stellte noch einmal die neue Verschuldung in ihren Aussagen in den Mittelpunkt und mahnte die aus ihrer Sicht seit einem Jahr vorhandene finanzpolitische Kehrtwende zum Negativen an. Die CDU wolle die Stadt nicht in eine Misere führen, sondern habe das Wohl der Stadt im Blick. Für die CDU sei seriöses Wirtschaften essentiell. Thomas Terhorst sprach in seiner Rede von einer Rekordverschuldung, die man nicht mittragen könne, da man diese den kommenden Generationen aufbürden würde. Für ihn befindet sich Marl in der bisher größten finanziellen Krise. Deshalb stimmte die CDU nicht zu.
Grüne Fraktion Marl (Michael Sandkühler): Nur durch einen Buchungstrick habe die Stadt einen ausgeglichenen Haushalt hinbekommen. Dabei warf die Fraktion der Landesregierung Verfassungsbruch vor und mahnte eine Altschuldschuldenregelung an. Zudem würden die Aufgaben für die Kommunen immer weiter zunehmen und den Haushalt belasten, ohne genügend Ausgleiche zu erhalten. Dennoch müsse langfristig auch in Marl gespart werden, um das Schiff wieder auf Kurs zu bringen. Im Sinne der Bürger stimmte man dem Haushaltsbeschluss zu.
AfD (Wilfried Zacharias): Die Partei lehnt den Beschlussvorschlag ab, wie bereits in den Vorjahren auch. Man nehme zwar zur Kenntnis, dass die weltweiten Krisen finanziell auch in Marl zu Buche schlagen, dennoch seien die alleine nicht zu stemmen. Hilfen vom Land seien notwendig.
Bündnis Deutschland Bürgerfraktion Marl (Wilfried Labsch): Alarmierend findet die Fraktion die Steigerung der Schuldenlast und bemängelte, dass beinahe die gesamte Ausgleichsrücklage für die Arithmetik des Haushalts einbezogen wurde und stimmte dem Beschluss nicht zu.
FDP (Robert Heinze): Die Zahlen lassen wenig Platz für Selbstbestimmung. Und mit Blick auf die kommenden Jahre mit Mehraufwendungen für Zinsen und Abschreibungen in Millionenhöhe, die aktuell noch gar nicht im Haushalt dargestellt sind, regt Robert Heinze zum Sparen an. Zudem machen der FDP die Kosten für die kommenden und bereits angestoßenen Bauprojekte Sorgen. Die Fraktion wünscht sich mehr Ehrlichkeit bei den Kosten, stimmte dem Beschluss aber zu.
Wählergemeinschaft Die Grünen (Beate Kühnhenrich): Die Fraktion sprach die für sie wichtigen Projekte an – von Marschall 66 über Rathaus bis zu sozialer Verantwortung den Menschen gegenüber. Und es hieß: „Die anstehenden Schulsanierungen sind leider längst überfällig. Klagen über Fehler in der Vergangenheit sind zwar berechtigt, aber helfen nicht im Geringsten weiter. Bei aller Vergangenheitsbewältigung und Schuldzuweisung durch andere Fraktionen darf man die zahlreichen Aufgaben, die in der Zukunft liegen, nicht vergessen und vernachlässigen.“ Die Fraktion stimmte zu.
Fokus (Karl-Heinz Dargel): Die Fraktion trage den Haushalt mit und betonte noch einmal, auch vorher keine Hürden aufgebaut zu haben. Da der Haushalt überwiegend aus Pflichtleistungen bestehe, gebe es kaum Spielraum für andere Ausgaben. Dennoch muss die Politik auch kleinere Stellschrauben bedienen. Alle Ausgaben gehören auf dem Prüfstand.
Wir Fraktion: War nicht mehr anwesend.
Claudia Flaisch als Einzelmitglied sprach ebenfalls die dramatische Situation an, stimmte zu und forderte von Land und Bund eine Lösung beim Thema Altschulden.