Denkmalpfleger blicken auf bauliches Erbe der Moderne 60+

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Zirka 170 Teilnehmer aus Denkmalpflege, Politik, Stadtplanung, Kultur und Architektur haben in der Scharounschule zwei Tage lang denkmalpflegerische Fragestellungen zur Erhaltung und Pflege der Architektur aus den 60er- und 70er-Jahren diskutiert.

Denkmalpflege lohnt sich

Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) hatte beim 7. Westfälischen Tag für Denkmalpflege den Blick auf die Bauten dieser Zeit gerichtet. "Die Frage nach der Zukunft von Gebäuden und Anlagen der 1960er- und 1970er-Jahre ist in vielen Städten derzeit aktuell", erläuterte LWL-Kulturdezernentin Dr. Barbara Rüschoff-Thale die Themenwahl. "Wir möchten zeigen, dass es sich lohnt, sie als Zeugnisse einer Zeit des gesellschaftlichen Wandels und Umbruchs zu erhalten, zu pflegen und zu nutzen." LWL-Chefdenkmalpfleger Dr. Holger Mertens: "Unser Tagungsort, die Scharounschule, ist ein sehr gutes Beispiel dafür, wie es gelingen kann, dass Denkmalpfleger, Architektinnen, Stadtplaner und Stadtbewohnerinnen gemeinsam eine zukunftsfähige Lösung für ein Baudenkmal der 1960er-Jahre erarbeiten und umsetzen."

Aktuelles Thema für die Stadt Marl

Axel Großer, stellvertretender Bürgermeister von Marl, bekräftigte die Aktualität des Themas für die Stadt: "Das Thema Denkmalpflege ist derzeit für uns so aktuell wie nie. Unser Rathauskomplex aus den 1960er-Jahren ist seit einem halben Jahr als Baudenkmal eingetragen und stark sanierungsbedürftig. Die Sanierung wird uns im Rahmen eines umfassenden Erneuerungsprogramms für das Stadtzentrum intensiv beschäftigen. Daher freut es mich sehr, dass die LWL-Denkmalpfleger mit diesem Thema nach Marl gekommen sind."

Blick auf Architektur ändert sich mit der Zeit

Den Auftakt der zweitägigen Veranstaltung mit dem Thema „Denkmalpflege und die Architektur der Moderne 60+“ bildete ein Vortrag von Dr. Ulrich Krings. Unter dem Titel "Bausünde wird Baudenkmal. Karrieresprünge in der Denkmalpflege" erläuterte der Kölner Stadtkonservator a. D., wie sich der Blick auf Architektur mit wachsender zeitlicher Distanz verändert. So könne ein und dasselbe Gebäude bei seiner Entstehung als visionäre Architektur gefeiert, wenige Jahre später als Bausünde verurteilt und wiederum einige Jahre später als Baudenkmal gewürdigt werden.

Preis "scheinbar unscheinbar"

Anschließend zeichnete die Stiftung "Kleines Bürgerhaus" in der Deutschen Stiftung Denkmalschutz die Initiative "iserlohn-denkmal" mit dem Preis "scheinbar unscheinbar" aus. Die Initiative erhielt den mit insgesamt 10.000 Euro dotierten Preis für ihr Engagement zur Rettung eines Fachwerkhauses, das im 18. Jahrhundert in Reste der Stadtbefestigung eingebaut wurde und zu verfallen drohte. Mit dem Preis rückt die Stiftung "scheinbar unscheinbar" architektonische Zeugen der Alltagskultur unserer Vorfahren in den Fokus der Aufmerksamkeit. "Im Zentrum stehen dabei neben den Gebäuden selbst auch die Wohn- und Lebensformen, die sie repräsentieren", so Dr. Fred Kaspar, LWL-Denkmalpfleger und Vorstandsvorsitzender der Stiftung "Kleines Bürgerhaus".

Vorträge zur Architektur der 1960er- und 1970er-Jahre

Im Verlauf der Tagung stellten LWL-Fachleute unterschiedliche Bauten der 1960er- und 1970er-Jahre vor und erläuterten anhand von konkreten Beispielen denkmalpflegerische Fragestellungen im Umgang mit Baudenkmälern dieser Epoche.

Vortrag über Scharounschule

Ein Vortrag widmete sich der Scharounschule, in der die Tagung stattfand. Sie wurde in den Jahren 1964 bis 1970 nach den Plänen des Berliner Architekten Hans Scharoun errichtet. Das Gebäude wurde im Jahr 2004 in die Denkmalliste der Stadt Marl eingetragen und von 2009 bis 2015 denkmalgerecht saniert. Es wird heute gemeinsam von der städtischen Musikschule und der katholischen Aloysius-Grundschule genutzt.

Exkursionen in Marl

Zum Abschluss der Tagung führten Exkursionen die Tagungsteilnehmer an unterschiedliche Orte in der Stadt Marl. Auf dem Programm standen u.a. das Rathaus und Kirchen aus der 1960er-Jahren.

 

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Der stellvertretende Bürgermeister Axel Großer (3. v. l.) begrüßte LWL-Kulturdezernentin Dr. Barbara Rüschoff-Thale mit ihren Mitarbeitern und Referenten der Tagung. Foto: LWL/Schmidt