Die Empfehlungen sind Bestandteil des umfassenden und detaillierten „Handlungskonzeptes Wohnen", das jetzt den Mitgliedern des Stadtplanungsausschusses, des Ausschusses für Bau und Verkehr sowie des Sozial- und Gesundheitsausschusses in einer gemeinsamen Sitzung vorgestellt wurde.
„Wohnungsmarkt gemeinsam entwickeln"
„Mit dem Handlungskonzept Wohnen liegt jetzt eine fundierte Grundlage vor, auf der wir anhand konkreter Empfehlungen das Wohnangebot in Marl gemeinsam mit den Akteuren des Wohnungsmarktes entwickeln und zukunftsweisende Weichenstellungen vornehmen möchten", beschreibt Bürgermeister Werner Arndt den Stellenwert der Untersuchung. Das Handlungskonzept gibt nach Ansicht von Wolfgang Seckler, Beigeordneter und Baudezernent, „erste wichtige Impulse für künftige städtebauliche Entwicklungen im Bereich des Wohnens" und sei „ ein erster Baustein für ein integriertes Stadtentwicklungskonzept, das alle Handlungsfelder des öffentlichen Lebens berücksichtige".
Erstellt hat das Handlungskonzept Wohnen die InWIS Forschung & Beratung GmbH
(Bochum) im Auftrag der Stadt Marl. Sie wurde dabei unterstützt von Stadtentwickler Helmut Cepa, der das Projekt federführend für die Stadtverwaltung begleitete.
Nachfrage verändert sich
Für das Konzept haben Janine Constant und ihre Kolleginnen und Kollegen von InWIS unter anderem die Prognosen zur Bevölkerungsentwicklung ausgewertet und die Motive für Zu- und Wegzüge erfragt. Die Untersuchungen und Auswertungen haben gezeigt, dass die Einwohnerzahl in Marl innerhalb von zehn Jahren (2001-2010) um ca. 5.000 Personen zurückgegangen ist. Bis zum Jahr 2025 wird die Bevölkerung voraussichtlich noch einmal um ca. 10.000 Einwohner schrumpfen und der Anteil der über 55jährigen deutlich zunehmen. Janine Constant: „Mit dem Bevölkerungsrückgang, den Verschiebungen in der Alterstruktur und der Ausdifferenzierung der Lebensstile ändert sich die Nachfrage auf dem Wohnungsmarkt".
Konkret bedeutet dies: Der quantitative Bedarf an Wohnungen wird weiter zurück gehen (2008 gab es bereits einen Überhang von 850 Wohnungen und zahlreiche Leerstände), gleichzeitig aber in bestimmten Segmenten eine Nachfrage entstehen, die vom derzeitigen Angebot nicht abgedeckt wird.
Gezielte Neubautätigkeit und umfassende Modernisierungen
Aus Sicht der InWIS-Expertin ist daher ein Neubau von insgesamt 1.580 Wohnungen bis zum Jahr 2025 „marktgerecht". Um das Risiko weiterer Leerstände im vorhandenen Wohnungsbestand zu minimieren, schlagen die Gutachter vor, parallel dazu vorhandene Wohnungen umfassend zu modernisieren und auch zurückzubauen, um auf den gewonnenen Flächen neue qualitätsvolle Wohnungen zu schaffen oder die Flächen gegebenenfalls auch einer anderen Nutzung zuzuführen. So könnten zum Beispiel nicht mehr benötigte Standorte von Schulen und Sportanlagen für eine qualitative Wohnbebauung entwickelt werden - wie etwa in einem ersten Schritt die Flächen der ehemaligen Haardschule, des Volkspark-Stadions und der Aloysiusschule (nach dem Umzug in die Scharounschule). In den einzelnen Handlungsfeldern kommt Janine Constant mit ihrem Team zu differenzierten Empfehlungen.
Mietwohnungen für Singles, Familien und Senioren
Im Mietwohnungsbau sehen die InWIS-Experten bis 2025 einen Bedarf für 155 freifinanzierte kleinere Wohneinheiten insbesondere für Singles und Paare zu einer bezahlbaren Qualität sowie für größere Wohnungen für Familien und Paare mit mittlerem Einkommen. Im geförderten Bereich sollten es zunächst 25 Wohnungen pro Jahr sein, die insbesondere den Bedarf der Singles und Senioren decken. Neben der Etagenwohnung findet das Mieteinfamilienhaus wachsenden Zuspruch. Zusätzlich zu Familien, die sich kein Eigenheim leisten können, treten hier nach den Beobachtungen der Gutachter auch kaufkräftigere Paare und Familien an den Markt, die mobil bleiben möchten und daher die Miete dem Kauf oder dem Bau eines Hauses vorziehen.
Eigentumswohnungen in guter und integrierter Lage
Neu erbaute Eigentumswohnungen werden zukünftig vor allem von „älteren" Haushalte, den sogenannten Best Agern (ab 50 Jahre), und von Senioren (ab 65 Jahre) nachgefragt. Während für Erstere vor allem eine gute Wohnlage und eine hochwertige Wohnungsausstattung entscheidend sind, suchen Seniorinnen und Senioren vor allem die barrierearme Wohnung in integrierter Wohnlage (mit guter Infrastruktur vom Bäcker bis zur Bushaltestelle), die ein selbständiges Wohnen auch im hohem Alter unterstützt.
Wachsende Nachfrage für altersgerechte Wohnungen
Das „Wohnen im Alter" ist laut Gutachten ein Markt mit wachsender Nachfrage in Marl. Diese Nachfrage könne allerdings nur zu einem kleinen Teil mit dem Neubau altersgerechter Wohnungen gedeckt werden. Vielmehr sei es erforderlich, so Janine Constant, vorhandenen Wohnraum an die Bedürfnisse der älter werdenden Menschen anzupassen. Hier seien künftig auch private Haus- und Wohnungseigentümer gefordert.
Solider Markt für Eigenheime
Der Markt für Eigenheime wird nach Einschätzung der InWIS-Fachleute auch in Zukunft ein solider Markt bleiben. Die hohen Bodenpreise hätten in den letzten Jahren allerdings zu einem Rückgang der Nachfrage nach freistehenden Eigenheimen geführt und würden sich auch zukünftig „nachfragedämpfend" bei der Vermarktung von Baugrundstücken auswirken. „Zukünftig ist daher zu überlegen", so die Gutachter, „den Grundstücksmarkt hinsichtlich des Preisniveaus nach unten anzupassen".
Neue Bauvorhaben mit attraktivem Mix an Wohnangeboten
Bei der Entwicklung neuer Bauvorhaben empfehlen die Gutachter eine breite Zielgruppenansprache mit einem Mix unterschiedlicher Wohnangebote, die in Hinblick auf Kaufkraft und Kaufpreis zur Wertigkeit des Standortes passen. Das Angebot sollte vom klassischen Reihenhaus auf kleinerem Grundstück für junge Familien mit kleinerem Einkommen über das freistehende Einfamilienhaus für Familien mit mittlerem Einkommen bis zum barrierearmen Bungalow für Best Ager und Senioren reichen.
Chance für innovative und qualitativ hochwertige Wohnprojekte
Insgesamt empfehlen die InWIS-Experten bei der Erschließung von Wohnbauflächen eine Drosselung und Neuausrichtung der Aktivitäten. Das aktuelle Angebot übersteige den Bedarf an neuem Wohnraum bis zum Jahre 2025 um rund 550 Wohneinheiten. Nach Auffassung der Gutachter wird die quantitative Versorgung mit Wohnraum als Ziel wohnungspolitischen Handelns mehr und mehr an Bedeutung verlieren. Die veränderten Rahmenbedingungen aufgrund der demographischen Entwicklung und der sich ändernden Ansprüche an das Wohnen sollten als „Chance für innovative und qualitativ hochwertige Wohnprojekte insbesondere in zentralen und integrierten Lagen" gesehen und genutzt werden.
Handlungskonzept Wohnen Stadt Marl
Handlungskonzept Wohnen Stadt Marl (Kurzfassung)