Seit Beginn der Bildhauerei war der Mensch ein zentrales Thema - und damit auch sein Kopf, der oftmals als „pars pro toto" verstanden wurde: als beispielhafter Teil bzw. Ausschnitt, der für den ganzen Menschen steht. Dieses Thema hat für die Künstler bis heute nichts von seiner Faszination verloren, lediglich die Darstellungsmöglichkeiten erweiterten sich durch neue Materialien und Medien. Die Ausstellung „Von Angesicht zu Angesicht", die ab dem 7. Februar im Skulpturenmuseum Glaskasten Marl zu sehen sein wird, präsentiert Beispiele der bildhauerischen und künstlerischen Auseinandersetzung mit dem Thema „Kopf" vom Beginn des 20. Jahrhunderts bis hin zur Gegenwart.
Künstlerische Handschrift
Trotz der Wirkung der künstlerischen Handschrift oder einer gewissen Abstraktion bleiben die in der Ausstellung gezeigten Köpfe, die bis zur Mitte des vergangenen Jahrhunderts entstanden sind, meist dem Porträt verhaftet. Mit dem Wissen um die Physiognomie der oder des Dargestellten ist diese Person also ohne weiteres erkennbar, zum Beispiel die Schauspielerin Tilla Durieux in Barlachs plastischem Porträt aus dem Jahre 1912, dem der Nofretete ähnelnden Porträt der Tänzerin Sent M'Ahesa von Bernhard Hoetger (1917) oder aber Käthe Kollwitz in ihrem Relief „Die Klage" (Selbstporträt) aus dem Jahre 1938, in dem sie ihrer Bestürzung über den Tod des Künstlerfreundes Ernst Barlach auf eindringliche Weise Ausdruck verleiht.
Individuelle Züge
Andere Köpfe zeigen zwar noch individuelle Züge, sind aber nicht mehr als identifizierbare, realistische Darstellungen einer bestimmten Person zu verstehen. Dies gilt für die Köpfe Josef Enselings, der Angehörige unterschiedlicher Berufsgruppen darstellt, oder auch für den „Frauenkopf" (1925) von Henri Laurens, der einer spätkubistischen Geometrisierung unterworfen wurde.
Porträtdarstellungen
Zwar finden sich auch nach 1950 noch Porträtdarstellungen (Bernhard Heiliger: Karl Hofer, 1951; Karl Hartung: Porträt Professor Heuss, 1959; Gustav Seitz: Bertolt Brecht, 1967), doch lässt sich eine deutliche Tendenz zur Entindividualisierung der Gesichtszüge ablesen, die letztendlich darauf abzielt, menschliche Wesenszüge und Reaktionen in einer allgemeineren Form sichtbar zu machen. Andere Bildhauer/innen (Hans-Joachim Albrecht, Hede Bühl, Herbert Zangs) setzen sich mit dem Kopf als Form auseinander und verzichten auf individualisierende Züge. Eher auf das Denken des Menschen - also dem, was im Kopf selbst geschieht - beziehen sich u.a. die Arbeiten von Arman, Eduardo Paolozzi und Marcel Jean.
"Reise zum Mittelpunkt des Ichs"
Auch in den Neuen Medien, besonders im Bereich Video, wird der menschliche Kopf immer wieder thematisiert. So unternimmt Timm Ulrichs mit Hilfe medizinischer Technik eine „Reise zum Mittelpunkt des Ichs" (1997), indem er den tiefsten Punkt seines Kopfs auf der Basis einer kernspintomografischen Aufnahme visualisiert. Auch die von starker Mimik geprägten Gesichter, die Beate Geissler und Oliver Sann in ihrem Video „Shooter" (2000/01) zeigen, zielen nicht auf eine individuelle Darstellung, sondern auf die sich in Blick und Mimik äußernde Anspannung von Teilnehmern an einem „Ego Shooter"-Videospiel, bei dem der Spieler aus der Egoperspektive in einer dreidimensionalen Spielwelt agiert und virtuelle Gegner bekämpft.
Eigene Sammlung
Die meisten Exponate der Ausstellung im Skulpturenmuseum Glaskasten stammen aus der eigenen Sammlung des Museums, die Videos wurden von den Künstlerinnen und Künstlern - die übrigens alle an den Marler Video-Kunst-Preisen der vergangenen Jahre teilgenommen haben - zur Verfügung gestellt. Weitere Skulpturen sind Leihgaben aus einigen der „RuhrKunstMuseen", einem Verbund von zwanzig Museen des Ruhrgebietes, die sich anlässlich des Kulturhauptstadtjahres 2010 zu einer nachhaltigen Kooperation zusammengeschlossen haben.