Unser geraubtes Leben – über die Colonia Dignidad oder wie überlebt man 50 Jahre in einer Foltersekte
Vortrag und Diskussion mit Ulla Fröhling
Am Dienstag, 16. Februar, 19.30 Uhr spricht und diskutiert Ulla Fröhling über eine lange ungestört existierende und wirkende Foltersekte, die ihren Ausgangspunkt in Deutschland hatte und über Jahrzehnte ihr Unwesen in Chile trieb.
Wer 1948-1961 dem Päderasten und Jugendpfleger Paul Schäfer verfiel, wer 1961 folgte, als Schäfer -wegen Kindesmissbrauch angezeigt- nach Chile flüchtete und dort mithalf, die Sektensiedlung „Colonia Dignidad“ aufzubauen, und wer dort geboren wurde, lebte isoliert vom Rest der Welt in einer Enklave, wo einzig das Wort Schäfers galt. Wo Schweigegebote galten: „Wer redet, ist schuldig“ und „Wer hört, ist noch mehr schuldig“.
Ob sie es damals wussten oder nicht – alle in diesem fast autarken Kleinstaat im Staat hatten teil an Verbrechen, als Schäfer sein Lager ab 1973 dem chilenischen Militärdiktator Pinochet und dem Geheimdienst DINA zum Foltern und Ermorden von Regimegegnern öffnete. Die meisten Sektenanhänger wurden als Arbeitssklaven gehalten; auch sie wurden gefoltert, einige von ihnen wurden zu Folterern. Sie glaubten Gott zu dienen, dem chilenischen Volk zu helfen und den Kommunismus abzuwehren. Liebe war dort ein Fremdwort. Dennoch gab es sie. Heimlich. Die Autorin erzählt die Erinnerungen der einzelnen Kolonisten, die sich dramatisch unterscheiden.
Die Referentin Ulla Fröhling ist freie Journalistin und Autorin. Schwerpunkte ihrer Arbeit sind Traumaforschung und gesellschaftliche Tabus wie Inzest und Langzeitfolgen sexueller Gewalt. Die langjährige Brigitte-Redakteurin lebt in Hamburg und ist stellvertretende Vorsitzende und Mitbegründerin der Renate-Rennebach-Stiftung für Opfer ritueller Gewalt.
Veranstalter dieses Abends über die Colonia Dignidad sind die insel-VHS, die insel-Stadtbibliothek, die GEW und das Evangelische Sozialseminar Marl-Hüls. Der Eintritt ist frei.
