Arbeitnehmerempfang setzt starkes Zeichen für Solidarität

Corona, Krieg, Inflation: Beim diesjährigen Arbeitnehmerempfang in Marl kamen viele schwere Themen auf den Tisch. Auch die gewalttätigen Übergriffe auf Beschäftigte im öffentlichen Dienst wurden klar angesprochen. Gerade in Krisenzeiten wolle man solidarisch zusammenstehen und sich nicht spalten lassen.

"Tragfähige und gute Lösung"

Rund 100 Gäste konnte Bürgermeister Werner Arndt am Montagabend (24.4.) in der Willy-Brandt-Gesamtschule zum Arbeitnehmerempfang begrüßen, darunter auch den Co-Vorsitzenden des DGB-Ortsverbandes Marl, Thorsten Römer. In seiner Rede begrüßte Werner Arndt insbesondere die am Sonntag erzielte Einigung im Tarifstreit im öffentlichen Dienst. „Die Tarifparteien haben gemeinsam eine tragfähige und gute Lösung gefunden, die den unterschiedlichen Aspekten gerecht wird“, sagte der Bürgermeister. Allerdings stellt das Ergebnis besonders die Kommunen vor große Herausforderungen. Die Stadt Marl beziffert die zusätzlichen Kosten auf dreieinhalb bis vier Mio. Euro. Werner Arndt: „Hinzu kommt, dass uns die Altschulden wie ein dicker Klotz am Bein hängen. Da wirkt die Tarifeinigung auf unsere Kassenlage wie ein zusätzliches Schwergewicht. Wann, wenn nicht jetzt, wäre es an der Zeit, die Altschuldenfrage zu lösen?"

"Wunsch nach Inflationsausgleich nachvollziehbar"

Unter dem Strich sei der Tarifabschluss in schwieriger Finanzlage „aber noch zu verantworten.“ Arndt weiter: „Die anfangs von den Gewerkschaften aufgerufenen 10,5 Prozent hätten uns ein weitaus größeres Loch in die Haushaltskasse gerissen. Mit der Einigung gibt es jetzt auf jeden Fall Planungssicherheit bis Ende 2024.“ Mit dem neuen Abschluss stärke der öffentliche Dienst vor allem seine Attraktivität als Arbeitgeber und erkenne die Leistungen seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an. „Auch die Mitarbeitenden des öffentlichen Dienstes sind sehr belastet durch die Coronakrise und die Folgen des Ukrainekrieges“, so Werner Arndt. „Daher ist der Wunsch nach einem Inflationsausgleich nachvollziehbar. Zudem darf der öffentliche Dienst bei den Lohnabschlüssen nicht abgehängt werden, sonst verlieren wir weiter an Attraktivität im Wettbewerb um Fachkräfte.“

Mehr Schutz und Sicherheit für Beschäftigte im öffentlichen Dienst

Neben guten Löhnen und fairen Arbeitsbedingungen forderte das Stadtoberhaupt auch mehr Schutz und Sicherheit für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst. „Wichtig ist, jeden Übergriff ernst zu nehmen, zu melden und zur Anzeige zu bringen“, sagte der Bürgermeister. Hier dürfe es „keine falsche Scham und keine Hürden geben.“ Werner Arndt: „Die vorhandenen Gesetze müssen konsequent angewendet werden, die Betroffenen brauchen Unterstützung. Wie andere Menschen auch, muss im öffentlichen Dienst niemand Übergriffe oder gewalttätiges Verhalten über sich ergehen lassen. Es ist unsere solidarische Aufgabe, dem mit aller Entschiedenheit vorzubeugen!“

Chemiepark Marl ist Jobmotor

Auch die Schaffung neuer Arbeits- und Ausbildungsplätze hat für Werner Arndt weiterhin hohe Priorität bei der Gestaltung des Strukturwandels. Konsequent habe Marl das Schlüsselprojekt gate.ruhr auf der ehemaligen Schachtanlage AV 3/7 angepackt. Arndt: „Hier geht es in großen Schritten vorwärts.“ Auf gate.ruhr sollen in den nächsten Jahren 1.000 neue Ausbildungs- und Arbeitsplätze entstehen. Zudem sei der Chemiepark Marl der Jobmotor für das nördliche Ruhrgebiet. „Evonik investierte zuletzt über eine Milliarde Euro in innovative Projekte, die dem Chemiestandort Marl zukunftsweisende Perspektiven eröffnen und die Beschäftigung in unserer Region stärkt“, sagte Werner Arndt. Die einzige Sorgenfalte sieht der Bürgermeister beim Verkauf von Betriebsanteilen bei Evonik. „Die Mitarbeitenden dürfen hier nicht unter die Räder geraten. Dafür braucht es starke Gewerkschaften und Betriebsräte.“

Jahrelanger Stellungskrieg

Der Co-Vorsitzende Thorsten Römer vom DGB Marl kritisierte in seiner Rede vor allem Russlands mörderischen Angriffskrieg auf die Ukraine. „Wir stehen an einem Punkt, an dem sich die militärische Eskalationsspirale unkontrolliert immer schneller dreht. Den Menschen in der Ukraine droht ein jahrelanger Stellungskrieg, der weiteres unermessliches Leid vor allem für die Zivilbevölkerung bedeuten würde. Wir fordern die russische Regierung auf, die Kampfhandlungen endlich einzustellen und die Unabhängigkeit der Ukraine durch den Rückzug ihrer Truppen wiederherzustellen.“ Weitere zentrale Themen waren die Tarifbindung, der Arbeitswandel und die Mitbestimmung. Der Gewerkschaftsbund fordert zudem eine umfassende Reform der Betriebsverfassung. Thorsten Römer: „Der DGB hat dazu einen fertigen Gesetzentwurf vorgelegt. Die Ampel muss ihn nur noch umsetzen. Tarifverträge sind der Grundpfeiler unserer sozialen Marktwirtschaft. Wer sich von Tarifverträgen verabschiedet, verabschiedet sich von der sozialen Marktwirtschaft und vom Schutz der Beschäftigten vor Niedriglöhnen und schlechten Arbeitsbedingungen.“

„Cuvée in C“ sorgt für gute Musik

Der diesjährige Arbeitnehmerempfang fand aufgrund der Sanierung des Marler Rathauses wieder in der Mensa der Willy-Brandt-Gesamtschule statt. Eingeladen waren Betriebs- und Personalräte, Marler Betriebe, gewerkschaftliche Ortsgruppen und Vertrauensleute, Jugend- und Auszubildendenvertretungen sowie die Vertreterinnen und Vertreter der Fraktionen im Rat der Stadt Marl. Für die musikalische Begleitung sorgte die Marler Band „Cuvée in C“ mit Jasmin Francis (Gesang), Chris Kazaglis (Cello) und Jana Emmrich (Klavier).

Die 1. Maikundgebung des DGB-Ortsverbandes Marl beginnt am Montag (1.5.) unter dem Motto „Ungebrochen solidarisch“. Treffpunkt ist um 10.30 Uhr an der Statue der Auguste Victoria an der Hülsstraße.

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Rund 100 Gewerkschafter kamen am Montagabend in die Mensa der Willy-Brandt-Gesamtschule.

Thorsten Römer (DGB) und Bürgermeister Werner Arndt begrüßten die Gäste.

Sorgten für musikalische Unterhaltung: die Marler Band „Cuvée in C“. Fotos: Stadt Marl / R. Deinl