Marl könnte dabei ein Leuchtturmprojekt mit landesweiter Strahlkraft erreichen. Denn nachdem vonseiten der Staatskanzlei kein Bedarf für eine Ausweitung der NRW-Hochschulstandorte gesehen wurde, blickte die Verwaltung über den Tellerrand hinaus in eine andere Richtung. „Wir haben uns gefragt, wo es den größten Bedarf gibt. Neben der Pflege ist dies eindeutig das Handwerk. Zudem spielen dort die Themen Klimawandel, Nachhaltigkeit und Klimaschutz schon seit Jahren eine wichtige Rolle“, sagt Werner Arndt. All dies seien originäre Themen im Handwerk – vom Baugewerbe über die Baunebengewerke bis hin zur Mobilität.
Digitalisierung: Neuere Herausforderungen
„Und seien wir ehrlich, heute spielt das Tablet im Handwerk die gleiche wichtige Rolle wie beispielsweise ein Schraubenschlüssel“, so Dr. Manfred Gehrke. Zudem, erklärt Bürgermeister Werner Arndt, unterliegt das Handwerk durch die Digitalisierung ganz anderen Voraussetzungen und Herausforderungen als vor Jahren. Die Branche sei schon lange im Wandel. Das alles habe die Verwaltung dazu bewogen, neben der Ausbildung das Thema Hochschule fürs Handwerk anzugehen.
Gute Kontakte zur Kreishandwerkerschaft
Schnell waren die guten Kontakte zur Kreishandwerkerschaft hergestellt, zu der ohnehin enge Kontakte bestehen. Denn nur gemeinsam sei solch ein Projekt zu stemmen. Was folgte, waren viele Gespräche auf lokaler Ebene, die Suche nach einem Investor für das Hochschulgebäude sowie einem privaten Hochschulträger. Etwas Vergleichbares für das Handwerk gibt es deutschlandweit lediglich in Augsburg, wohin die Handwerkelite mit Perspektivwünschen abwandert.
Umsetzung könnte bald Realität werden
Heute steht fest, die Ideen von einst sind kein Wolkenkuckucksheim, sondern haben durch vielschichtige Arbeitsschritte inzwischen eine realistische Umsetzungschance erhalten. „Wir im Handwerk warten bereits seit Jahren auf solch einen Vorschlag. Doch bislang fehlten solche gezielten Angebote“, freut sich Kreishandwerksmeister Arnd Neubauer über diesen Vorstoß. Bei Betrieben stoße eine Hochschule fürs Handwerk auf jeden Fall auf sehr große Zustimmung.
Investoren zeigen Interesse
„Mittlerweile haben wir nicht nur Interesse für eine private Trägerschaft und bei potenziellen Investoren geweckt, sondern klare Bekunden für ein Engagement erhalten“, ergänzt Dr. Manfred Gehrke. Sogar ein mögliches Grundstück hat der Wirtschaftsförderer gemeinsam mit dem Planungsamt bereits ins Auge gefasst und die gesamte Idee auch zu Ende gedacht: „Wir wollen natürlich auch die wirtschaftlichen Strukturen drum herum schaffen mit der möglichen Ansiedlung von Star-ups und innovativen, handwerksaffinen Betrieben.“
Projektbetreuung in Expertenhand
Die nächsten Schritte stehen ebenfalls fest. Sollte der Rat zustimmen, wollen Bürgermeister Werner Arndt und Wirtschaftsförderer Dr. Manfred Gehrke die Konzeptionierung auf den Weg bringen: „Das machen wir nicht in Eigenregie, sondern suchen für die Projektbetreuung und -steuerung sowie die Marketingaktivitäten fachliche Begleitung von Experten, die Erfahrung haben.“ Das kostet natürlich Geld.
„Just Transition Fund“ mit 100 Mio. Euro gefüllt
Doch dafür hat man ein Auge auf den „Just Transition Fund“ JTF (Fonds für den gerechten Übergang) geworfen. Dieser Fördertopf ist für das nördliche Ruhrgebiet mit 100 Millionen Euro gefüllt. Partizipieren könnten davon Bottrop, Gladbeck, Dorsten – und eben Marl. Unterstützen will der Fonds die Regionen, die aufgrund des Übergangs zu einer klimaneutralen Wirtschaft schwerwiegende sozioökonomische Herausforderungen bewältigen müssen – und vor allem Regionen, die aufgrund ihrer Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen oder treibhausgasintensiven Industrien besonders betroffen sind. Dieser Antrag könnte noch in diesem Jahr gestellt werden, die Projektierung bei Zuteilung im Jahr 2023 starten.
Tausende Betriebe in der Region stehen bereit
Die Stadtspitze sieht es als durchaus realistisch an, einen Teil der 100 Millionen nach Marl zu holen. Denn sämtliche Kriterien seien erfüllt. Das würde natürlich auch die Kreishandwerkerschaft freuen. Arnd Neubauer: „Wir haben in der Region Tausende Betriebe, die solch ein Studium zum Beispiel als Mitarbeiter-Bindung ansehen und die Kosten übernehmen würden. Bisher waren wir auf Eigeninitiativen angewiesen. Der Bedarf ist bei uns also längst vorhanden und muss nicht erst geweckt werden.“
Anerkannter Hochschulabschluss
Wichtig sei aber auch, dass Gewerke übergreifend studiert werden könne. Deshalb spricht Neubauer auch lieber von einer „Eliteschmiede“ denn Hochschule. Am Ende sei der Name aber zweitrangig, im Vordergrund stünde ein staatlich anerkannter akademischer Grad, wenn dieser entsprechend von der Stiftung Akkreditierungsrat (eine gemeinsame Einrichtung der Länder für die Qualitätssicherung in Studium und Lehre an deutschen Hochschulen) anerkannt sein wird.