Finanzlage in Marl ist dramatisch
„Die Finanzlage der Stadt Marl hat sich in den vergangenen Monaten drastisch verschlechtert“, teilte Bürgermeister Werner Arndt den Ratsmitgliedern am Donnerstag mit. „Viele Kommunen haben ihre Haushalte in den letzten Jahren in einem beispiellosen Konsolidierungsprozess wieder einigermaßen in den Griff gekriegt. Der Stärkungspakt Stadtfinanzen hat hierzu wesentlich beigetragen. Mühsam erreichte Verbesserungen werden durch die aktuellen Entwicklungen aber wieder aufgezehrt“, sagte Werner Arndt in der Turnhalle der Ernst-Immel-Realschule.
Weitere Belastungen durch Nahost-Krise?
Mit großer Sorge blickt der Bürgermeister vor allem auf die finanziellen Auswirkungen der Coronapandemie und des Ukraine-Krieges, die weiter anhalten. „Angesichts der aktuellen Krise im Nahen Osten drohen zudem weitere Belastungen der Wirtschaft und der öffentlichen Hand, die heute noch nicht absehbar sind“, erklärte Werner Arndt. Auch die Nachrichten über die jüngsten Entwicklungen im Chemiepark zeigten, dass die Energiekrise auch bei den großen Unternehmen in Marl angekommen sei.
Gewerbesteuereinnahmen schwankten zuletzt stark
Diese Veränderungen bleiben nicht ohne Folgen für die Entwicklung der Gewerbesteuereinnahmen der Stadt, die zuletzt stark schwankten. Nachdem Marl in den Haushaltsjahren 2016 und 2018 ein Gewerbesteueraufkommen von mehr als 100 Mio. Euro verbuchen konnte, brachen die Gewerbesteuern im ersten Corona-Jahr 2020 auf 29,9 Mio. Euro ein. „Mit einem geplanten Ansatz für 2024 von 48,5 Mio. Euro sind wir noch weit von der Gewerbesteuerhöhe der Vorjahre entfernt“, betonte Kämmerer Michael Dinklage.
Stadt muss immer mehr Aufgaben bewältigen
Doch die Gewerbesteuer ist nicht die Ursache allen Übels. „Die Vielzahl an aktuellen Herausforderungen überfordert die Kommunen, die große Flut an Aufgaben nimmt überhand“, sagte der Bürgermeister. Der Haushaltsentwurf für 2024 sieht Erträge von 325,8 Mio. Euro und Aufwendungen von 407,7 Mio. Euro vor. Danach wird die Stadt Marl das Haushaltsjahr mit einem Fehlbetrag von 81,9 Mio. Euro abschließen. Werner Arndt: „Uns fehlt die Luft zum Atmen. Bund und Land sind ausdrücklich gefordert, Schaden von der kommunalen Selbstverwaltung abzuwenden.“
Investitionen von knapp 115 Mio. Euro
Trotz der riesigen Lücke im Haushalt sieht das Zahlenwerk für das nächste Jahr Investitionen von knapp 115 Mio. Euro zum Beispiel für die Sanierung des Rathauses, den Neubau der Goetheschule oder das kulturelle Begegnungs- und Kulturzentrum Marschall 66 vor. Auch die Sanierung der Heinrich-Kielhorn-Schule, die Maßnahmen aus dem Radentscheid und der Neubau der Rettungswache stehen auf der Arbeitsliste. Für viele Großbauprojekte und die Maßnahmen aus dem Radentscheid gibt es finanzielle Förderungen.
Frage nach den Altschulden nicht geklärt
Unter dem Strich kann die Stadt ihren Haushalt nicht nennenswert entlasten. Eine bilanzielle Überschuldung wird sich voraussichtlich schon ab 2025 ergeben. „Damit bleiben wir weiterhin in der Haushaltssicherung“, so Werner Arndt. Die große Politik stünde einmal mehr in der Pflicht, „ihrer Verantwortung gerecht zu werden und den Kommunen die Mittel zu gewährleisten, die sie zwingend brauchen.“ Der Bürgermeister weiter: „Bund und Land müssen endlich die Altschuldenlösung und eine hinreichende Finanzausstattung auf den Weg bringen!“
Städte warnen vor finanziellen Kollaps
Werner Arndt erinnerte an den jüngst verfassten Brandbrief hunderter Amtskollegen an NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst. Die Städte warnen insbesondere vor einem finanziellen Kollaps. „Während die Steuereinnahmen stagnieren und Bund und Land Zuweisungen kürzen, explodieren die Kosten für Sachaufwendungen und Personal sowie stetig neue Erwartungen an Leistungen der Daseinsvorsorge“, sagte Werner Arndt. Die Kommunen bestehen auf eine finanzielle Ausstattung, die den stetig wachsenden Aufgaben entspricht, heißt es in dem Schreiben.
Steuerhebesätze sollen unverändert bleiben
Sollten Bund und Land untätig bleiben, würden viele Städte und Gemeinden zu Konsequenzen gezwungen sein. „Ohne zusätzliche Einnahmen können die kommunalen Haushalte nicht mehr ausgeglichen dargestellt werden“, hob Werner Arndt im Rat hervor. Trotz der schlechten Zahlen soll es in Marl aber keine Anhebung der Steuern geben. Die Verwaltung empfiehlt dem Rat, an den aktuellen Steuerhebesätzen (Grundsteuer A = 285 v.H., Grundsteuer B = 790 v.H. und Gewerbesteuer = 530 v.H.) festzuhalten.
Marl steht erneut vor schweren Zeiten
„Den breiten Hilferuf der Städte und Gemeinden kann man in seiner Bedeutung und seinem Gewicht nicht überschätzen“, so Werner Arndt. „Ohne Städte ist kein Staat zu machen! Bund und Länder sollten uns als gleichberechtigte und wichtige Partner begreifen. Unsere Erfahrungen und Bedürfnisse dürfen nicht länger ignoriert werden. Die Bereitschaft zu kommunalpolitischem Engagement wird darunter leiden, wenn im Rat nicht mehr gestaltet, sondern nur über Zumutungen entschieden werden kann.“
Beratungen über den Haushalt starten
Nach Einbringung des Haushaltsentwurfs 2024 in den Rat der Stadt Marl haben die Fraktionen und Ausschüsse nun die Möglichkeit darüber zu beraten. Notwendige Änderungen werden von der Verwaltung zusammengefasst und nach vorheriger Beratung im Haupt- und Finanzausschuss dem Rat voraussichtlich in seiner Sitzung am 14. Dezember zum endgültigen Haushaltsbeschluss vorgelegt.
Ratsunterlagen im Internet
Detaillierte Informationen zum Haushalt finden Interessierte in digitaler Form im Bürger- und Ratsinformationssystem online unter https://marl.more-rubin1.de/ im Menüpunkt „Haushaltspläne“. Die Ratsunterlagen sind über den Menüpunkt „Kalender“ (25. Sitzung des Rates) einsehbar.