„Doch es war erst der Anfang“
Unter dem Titel „Doch es war erst der Anfang“ erinnerte die Gedenkfeier mit Text- und Musikbeiträgen insbesondere an die Marler Jüdinnen und Juden, die während der NS-Diktatur nach Riga deportiert worden waren. Marls Bürgermeister erzählte in der Schulaula von seinen persönlichen Erinnerungen an Riga. Das Stadtoberhaupt begleitete im Jahr 2014 acht Marler Jugendliche auf einer städtischen Gedenkstättenfahrt in die lettische Hauptstadt. „Riga steht stellvertretend für das unermessliche Leid, das neben den Juden auch Sinti und Roma, politischen Gegnern und Kriegsgefangenen, den Zeugen Jehovas, Behinderten und Homosexuellen aus Gründen des Rassenwahns während des Zweiten Weltkriegs zugefügt wurde“, so Arndt.
Null Toleranz gegenüber Menschenhass und Hetze
Darüber hinaus verwies Werner Arndt in seiner Ansprache auf die jüngsten Ereignisse bei Pandemieprotesten. „Gerade in der Corona-Zeit erhalten antisemitische Verschwörungstheorien einen nie dagewesenen Aufwind“, mahnte Werner Arndt und rief zu Null Toleranz gegenüber Menschenhass und Hetze auf. „Offenkundig reicht die Erinnerung an die Schrecken der Nazi-Zeit nicht mehr aus, um die Gefahren solcher Einstellungen aufzuzeigen“.
Schweigeminute für Rolf Abrahamsohn
Am Holocaust-Gedenktag erinnerte die Stadt ebenfalls an den erst kürzlich verstorbenen Rolf Abrahamsohn. Der gebürtige Marler war der letzte Holocaust-Überlebende der Jüdischen Kultusgemeinde Recklinghausen. Er engagierte sich viele Jahrzehnte, die Verbrechen des Nationalsozialismus aufzubereiten und die Erinnerung an die Opfer lebendig zu halten. Als Zeitzeuge berichtete Rolf Abrahamsohn in Schulen und anderen Bildungseinrichtungen. Für ihn wurde am Donnerstag eine Schweigeminute eingelegt.
Musik- und Textbeiträge von Schülergruppen
Schülerinnen und Schüler der Willy-Brandt-Gesamtschule stellten im weiteren Verlauf der Veranstaltung die Frage “Warum Riga?“ und berichteten über die Ausgrenzung, Deportation und Vernichtung der jüdischen Bevölkerung Westfalens am Beispiel des Ghettos in der lettischen Hauptstadt. Das Gymnasium im Loekamp thematisierte die grausame Massenerschießung lettischer Juden am „Rigaer Blutsonntag“ und die Gedenkstätte von Riga im Wald von Biķernieki.
Aktive Auseinandersetzung mit der Geschichte
Bürgermeister Werner Arndt lobte die aktive Auseinandersetzung der Schüler mit der Geschichte: „Ihr wirkt mit Eurem Handeln gegen das Vergessen“. Dieses Engagement zeige auch während der Pandemie, „welch hohen Stellenwert dieses Thema im Schulalltag hat“. Die Instrumental-AG „Music forever" des Albert-Schweitzer-/Geschwister-Scholl-Gymnasiums spielte das Musikstück „Donna Donna“. Das ursprünglich jiddische Lied namens „Dos kelbl“ erinnert an die Juden im Deutschen Reich, die der grauenvollen Vernichtung ausgesetzt waren.
Grenzübergeifende Zusammenarbeit aller Menschen
Für das musikalische Gedenken zeichnete sich Eva Gruber am Cello verantwortlich. Cengiz Caliskan, Vorsitzender des Integrationsrates der Stadt Marl, verdeutlichte in seinem Schlusswort, wie wichtig die grenzübergeifende Zusammenarbeit aller Menschen sei, „um Unheil zu besiegen und um Krankheiten, Fremdenhass, Rassismus und Faschismus auszumerzen.“ Bereits am Nachmittag eröffneten Pfarrer Roland Wanke und Pastoralreferent Dr. Philipp Winger die Gedenkfeier mit einem ökumenischen Gottesdienst.
Online-Gedenkfeier als Video auf dem städtischen YouTube-Kanal
Aufgrund der aktuellen pandemischen Lage begleitete die Stadt Marl den Holocaust-Gedenktag in diesem Jahr mit einer Online-Gedenkfeier, die per Livestream auf dem städtischen YouTube-Kanal ausgestrahlt wurde. Jennifer Radscheid, städtische Beauftragte für Erinnerungsarbeit, organisierte die Gedenkfeier mit viel Engagement und Herzblut. Rund 180 Zuschauerinnen und Zuschauer nahmen digital an der Veranstaltung teil. Die Online-Gedenkfeier steht ab sofort auch als Video auf dem städtischen YouTube-Kanal zur Verfügung.
Internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocausts
Am Donnerstag (27.1.) jährte sich die Befreiung des Konzentrationslagers in Auschwitz zum 77. Mal. In dem größten deutschen Vernichtungslager wurden über anderthalb Millionen Männer, Frauen und Kinder ermordet. In Riga kamen etwa 38.000 Menschen ums Leben. Der Jahrestag der Befreiung wurde 1996 offizieller deutscher Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus. Die Vereinten Nationen erklärten den 27. Januar im Jahr 2005 zum Internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocausts.