Wie das schulische Lernen in Wechselwirkung mit der Erwachsenenbildung bereichert werden kann, zeigt jetzt ein gemeinsames Projekt der Oberstufen der Marler Gymnasien und Gesamtschulen mit der insel-Volkshochschule und der Marler Geschichtswerkstatt.
Im Herbst letzten Jahres sind Schülerinnen und Schüler aus der Jahrgangsstufe 11 des Albert-Schweitzer-Geschwister-Scholl-Gymnasiums (ASG), der Jahrgangsstufe 13 des Gymnasiums im Loekamp (GiL) sowie aus der Stufe 12 der gemeinsamen Oberstufe der Willy-Brandt- und der Martin-Luther-King-Gesamtschule im Rahmen des sozialwissenschaftlichen Unterrichts tief in die Geschichte der Stadt Marl eingetaucht. In verschiedenen Arbeitsgemeinschaften haben sie sich eigenständig unterschiedliche Aspekte der Migrationsgeschichte erschlossen.
Geschichte der Zuwanderung
Die Jugendlichen machten sich auf die Suche nach den Spuren ihrer eigenen Familie („Woher komme ich?"), erforschten Quellen zur Geschichte der Zuwanderung in Marl, interviewten Marlerinnen und Marler mit Migrationshintergrund („Fühlen Sie sich in Marl angekommen?") sowie mit Experten, die - wie Marls Integrationsbeauftragte Carmen Greine oder Hartmut Dreier von der Christlich-Islamischen Arbeitsgemeinschaft - bereitwillig Auskunft gaben über den aktuellen Stand der Integration in Marl.
Beitrag zum Stadtjubiläum
Das „forschende Lernen" haben die Schülerinnen und Schülern weitgehend eigenständig geleistet. Für Fragen zur Konzeption, zu Recherchemethoden und zur Darstellung der Arbeitsergebnisse standen die Lehrerinnen und Lehrer Christel Schrieverhoff und Tim Kersting (ASGSG), Heike Hingst (WBGS) sowie die (damaligen) Referendarinnen Julia-Mareen Kampmann und Jennifer Wrobel (die über das Projekt ihre Examensarbeit verfasste) beratend zur Seite. Für die fachliche Beratung stand Historiker Dr. Hans Ulrich Berendes vom Geschichtsarbeitskreis der insel-VHS zur Verfügung. Die Fäden des Projektes liefen schließlich bei „insel"-Leiterin Dr. Renate Strauch als Projektleiterin zusammen. Denn schließlich waren alle Aktivitäten von Beginn an darauf ausgerichtet, dass alle Arbeitsergebnisse als Beitrag zum 75. Geburtstag der Stadt Marl zusammengefasst und vorgestellt werden. Im Sinne eines handlungs- und produktorientierten Unterrichts mussten die Jungforscher und -forscherinnen sich daher von Beginn an auch überlegen, wie sie ihre Ergebnisse darstellen und welches Produkt sie für die Vermittlung erstellen wollen. So entstanden interessante Stammbäume von Marler Familien, eine sehenswerte digitale Präsentation zur Migrationsgeschichte, lesenswerte Interviews und sogar ein Comic.
Projekt mit Vorbildcharakter
Ein Teil der Forschungsarbeiten war bereits beim Jubiläumsfest am Wochenende zu sehen. Am Donnerstag (21.07.) wird die Ausstellung auf dem Schulfest der Willy-Brandt-Gesamtschule und am Freitag auf dem Schulfest des ASGSG gezeigt. Nach den Sommerferien sollen die Ergebnisse dann für eine Buchveröffentlichung aufbereitet werden. Möglich ist dies, weil die - neuartige - Zusammenarbeit zwischen Schule und Volkshochschule über den Deutschen Volkshochschulverband vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gefördert wird.
„Das Projekt "In Marl angekommen!?" hat Vorbildcharakter und zeigt, welche zusätzlichen
Möglichkeiten und Perspektiven sich für das Lernen eröffnen, wenn schulische und außerschulische Bildungseinrichtungen zusammenarbeiten und gemeinsam an einem Strang ziehen", sagte Schuldezernentin Dr. Barbara Duka, die sich von der Qualität der Arbeiten und der Präsentationen sehr beeindruckt zeigte. „So macht Unterricht Spaß und fördert das Interesse am Lernen".
„Im Vest angekommen!?"
Mit ihren Ergebnissen haben die Jugendlichen ein wichtiges Thema der Stadtgeschichte ausführlich beleuchtet. Denn die Geschichte Marl wurde maßgeblich von Zuwanderern geprägt - von den Menschen, die ab 1900 auf den Marler Zechen und bei den damaligen Chemischen Werken Hüls Arbeit fanden, die nach dem 2. Weltkrieg als Flüchtlinge und Vertriebene hier heimisch wurden, oder die sich in der Wirtschaftswunderzeit in Marl eine neue Existenz aufgebaut haben. 1910, zehn Jahre nach der Gründung des Bergwerks Auguste Victoria, bestand die Marler Bevölkerung zu 86 Prozent aus Zugewanderten, und auch heute noch besteht die Bevölkerung zu über 80 Prozent aus Menschen, die in den vergangenen 100 Jahren in die kommunalen Gemeinschaft integriert wurden. Die Ausarbeitungen der Schülerinnen und Schüler knüpfen nahtlos an die Forschungen an, die die insel-VHS mit vielen Partnern zum Kulturhauptstadtjahr 2010 in der Ausstellung „Im Vest angekommen!?" präsentierte. Die jungen Forscherinnen und Forscher haben damit dem Geschichtsbuch der Stadt Marl ein weiteres wichtiges Kapitel zur Migrationsgeschichte hinzugefügt.