Aus den 10 Nominierungen für den Deutschen Klangkunst-Preis 2010 wählte die Fachjury, bestehend aus Christina Kubisch, Markus Heuger, Karl Karst, Uwe Rüth, Bernd Schulz und Harry Vogt, folgende Künstler/innen als Preisträger des Deutschen Klangkunst-Preises 2010:
Peter Ablinger (*1959), Berlin für sein Projekt „Sitzen und Hören 1-6"
Unterschiedliche Orte im Zentrum Marls werden zum zeitweiligen Auditorium: skulptural aufgestellte Stuhlreihen laden den Besucher ein zum Performer zu werden. Die Situation vor Ort wird ohne jegliche Zufügung auditiven Materials zum Angebot konzentrierten Hörens, der Hörvorgang selbst wird zur Skulptur, der Ort zum Klangraum. In der „Konzentration" auf Wahrnehmungsvorgänge werden in Peter Ablingers Arbeit sowohl verschiedene Ebenen der Musikrezeption der Moderne, wie auch gleichzeitig ein Bruch mit ihnen inszeniert.
Florian Dombois (*1966), Köln für sein Projekt „Angeschlagene Moderne"
Der ironische Titel „Angeschlagene Moderne" ist Programm für Florian Dombois´ Projekt. Als Basismaterial sammelt der Künstler die Eigenklänge der modernen Außenskulpturen im Umkreis des Museums, wobei jede Skulptur mit einem kleinen Hammer „angeschlagen" und so zum Klingen gebracht wird. Diese „spezifischen" Klänge der Skulpturen dienen als Klangmaterial für eine Installation, bestehend aus dem Ziffernblatt einer Uhr und einem Lautsprecher, die viermal in der Stunde nach einem Zufallsprinzip Klänge einzelner Skulpturen tönen lässt. Durch den Klang entstehen neue Beziehungen der angeschlagenen Skulpturen untereinander - jenseits der „offiziellen" Kunstgeschichtsschreibung, wie auch der Besucher die Skulpturen in erfrischend neuer Sinnlichkeit erlebt.
Denise Ritter (*1971), Saarbrücken für ihr Projekt „Bandfahrung"
Mit versteckten Klangquellen bespielt Denise Ritter den 32 m langen Gang zwischen Büround Sitzungstrakt des Marler Rathauses mit zwei Klang-Kompositionen, die die starke Wirkung des Ortes in assoziativer Weise mit neuen Bedeutungen aufladen und die subjektive Wahrnehmung/Erfahrung des Raumes über den Hörsinn subtil erweitern und verschieben. Beide Kompositionen spielen mit Semantiken der Bewegung, einmal mit den Förderbändern des Bergbaus, zum zweiten mit Rolltreppen des Marler Einkaufszentrums, die beide die architektonische Statik des Verbindungsgangs auflösen und seine Funktion als dynamischen Verkehrsweg betonen.
Drei dieser Konzepte sind nun - als Preis - im und um das Skulpturenmuseum realisiert worden.
Neben den drei Preisträgern des Deutschen Klangkunst-Preises 2010 zeichnen die Initiatoren des Deutschen Klangkunst-Preises, Prof. Karl Karst und Dr. Uwe Rüth, zwei Ehrenpreisträger aus, die sich zum einen künstlerisch, zum anderen theoretisch um das Genre der Klangkunst verdient gemacht haben.
Paul Panhuysen, Eindhoven/NL
Ehrenpreisträger des Deutschen Klangkunst-Preises 2010
Der 1934 geborene niederländische Künstler Paul Panhuysen hat die Klangkunst in drei unterschiedlichen Weisen beeinflusst. Nachdem er in Maastricht Malerei und Bildhauerei und parallel dazu in an der Universität von Utrecht Kunstsoziologie studiert hat, kam er in den 60er Jahren in engen Kontakt zur Fluxus-Bewegung. Seit dem Beginn der 70er Jahre schuf er neben Gemälden immer häufiger Werke im Zusammenhang mit Klängen und seit 1980 wandte er sich mehr und mehr der Klangkunst zu. So begleitete er das Entstehen der neueren Klangkunst von Beginn an. Seine raumgreifenden Klangsaiten-Installationen, mit denen er 1982 an die Öffentlichkeit trat, wurden zu seinem Markenzeichen, doch war sein Schaffen von Klangkunst-Werken weitaus breiter und umfassender. Bis heute ist seine künstlerische Tätigkeit ein originärer Beitrag zur Fortentwicklung des jungen Genres.
Sein Einfluss und seine Bedeutung wurden aber durch die von ihm und seiner Frau 1980 vorgenommenen Gründung des Ausstellungshaus ‚Het Apollohuis' in Eindhoven, dessen Direktor er bis 2001 war, noch gesteigert: Hier schufen sie einen Platz, an dem die Klangkunst und viele der anderen grenzüberschreitenden Künste eine einmalige Plattform erhielten. Fast alle wichtigen Klangkünstler durften im ‚Apollohuis' experimentieren und neue Wege des Ausdrucks suchen. Dass neben diesen beiden Aktivitäten dann auch noch die theoretische Durchdringung der Klangkunst einen wichtigen Beitrag durch den vielseitigen und umtriebigen Künstler erhielt, rundet das Gesamtwerk Panhuysens entscheidend ab. Panhuysen ist aus der Geschichte der Klangkunst nicht weg zu denken und hat wesentlich zu ihrer Entwicklung beigetragen.
Folkmar Hein, Berlin
Ehrenpreisträger des Deutschen Klangkunst-Preises 2010
Folkmar Hein leitete von 1974 bis 2009 das Elektronische Studio der Technischen Universität von Berlin. Seinem unermüdlichen Engagement verdankt dieses Studio seinen internationalen Ruf als Ort der Lehre und der Produktion. Einer der Schwerpunkte war von Anfang an, auch als dieser künstlerische Bereich noch kaum bekannt war, die Klangkunst. Zahllose Komponisten und Klangkünstler aus aller Welt hatten hier die Möglichkeit, unter fachmännischer Betreuung ihre oft mehrkanaligen Arbeiten zu realisieren und auszutesten.
Die oft noch heute bestehende Unterscheidung zwischen Klangkunst und Komposition war im TU-Studio kein Thema, und aus diesem Grund entstanden auch Klanginstallationen von Komponisten, die sich diesem Bereich vorher eher selten gewidmet hatten. Das vom DAAD 1982 zusammen mit dem TU Studio gegründete Festival "Inventionen", das jährlich stattfindet, gab den Klangkünstlern auch die Plattform, neue und ungewöhnliche Experimente umsetzen zu können und einem größeren Publikum erfahrbar zu machen. Die von Folkmar Hein 1985 gegründete Reihe EM-Hören, die während des Semesters jeden Donnerstagabend stattfand (und auch heute noch fortgeführt wird), wurde bald zum wichtigen Treffpunkt von Komponisten und Klangkünstlern, die dort ihre Arbeiten vorstellten und darüber diskutierten. Neben all seinen Tätigkeiten hat Folkmar Hein auch noch eine umfassende öffentlich zugängliche Audiothek der zeitgenössischen Musik und Klangkunst eingerichtet und das Elektronische Studio der TU zu einem der wichtigen Treffpunkt für Klangkünstler gemacht.
Der WDR 3 Produktionspreis des Deutschen Klangkunst-Preises
Marc Behrens, Darmstadt
WDR 3 Produktionspreis für eine Produktion im Studio Akustische Kunst WDR 3 Marc Behrens versteht es mit einfachen Mitteln unsere Sinne für komplexe Themen zu schärfen und schafft dabei Zwischenwelten aus Zwischentönen. Seine Klangstudien betreibt er nicht als fröhliche Wissenschaft von den selbstgesammelten Alltagsklängen und er gehört auch nicht zu denen, die Soundscape-Komposition als Trendsportart betrachten. Andererseits erstarren seine Arbeiten aber auch nicht in Ehrfurcht vor der Tradition der Radiokunst. Wie auch in seinen visuellen Werken und seiner Aktionskunst lotet er immer wieder das Potenzial der guten alten Avantgarde aus, bevor er sich unverkrampft von ihr verabschiedet, um eigene Wege zu gehen.
Der Deutsche Klangkunst-Preis wurde 2010 zum fünften Mal verliehen. Seit 2002 wird der europaweit einzigartige Preis vom Skulpturenmuseum Glaskasten Marl, dem Kulturradio WDR 3 und der INITIATIVE HÖREN mit insgesamt rund 20.000 Euro ausgeschrieben.